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Quelle: WKO-Newsletter / Die Presse vom 16.12.2009 |
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22,5 Millionen Europäer sind arbeitslos |
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Finanzkrise. Die EU-Kommission ruft die Regierungen zu besserer Arbeitsmarktpolitik auf - und zur Beendigung der Kurzarbeitsprogramme. VON UNSEREM KORRESPONDENTEN OLIVER GRIMM
BRÜSSEL. Seit die Finanzkrise im März 2008 begonnen hat, sich auf den Arbeitsmärkten festzubeißen, hat sie 6,5 Millionen Europäer in die Arbeitslosigkeit gestoßen und sämtliche Fortschritte vernichtet, die Europa im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit seit Mitte des Jahrzehnts erzielt hat. Jeder fünfte Jugendliche hat derzeit keinen Job: So etwas hat das EU-Statistikamt Eurostat nicht erlebt, seit es im Jahr 1998 begonnen hat, europaweit vergleichbare Arbeitsmarktstatistiken zu erstellen.
22,5 Millionen arbeitslose Europäer, jeder fünfte davon jünger als 24 Jahre, und fürs Erste keine Besserung in Sicht: Der aktuelle Monatsbericht der Europäischen Kommission über die Arbeitsmärkte (Stand: Ende Oktober), der am Dienstag in Brüssel veröffentlicht wurde, ist keine erbauliche Lektüre. Denn auch im kommenden Jahr werden hunderttausende Menschen in Europa ihre Stellen verlieren, bevor sich die Arbeitslosenquote im Jahr 2011 auf hohem Niveau festigt. Derzeit beträgt sie 9,3 Prozent. Im nächsten Jahr soll sie auf 10,3 Prozent steigen, im Jahr darauf 10,2 Prozent betragen, erwarten die Ökonomen der Kommission.
Verhohlene Kritik an Kurzarbeit
Über den Daumen gepeilt, werden also irgendwann im kommenden Jahr knapp 25 Millionen Europäer beschäftigungslos sein.
Was tun? Die Kommission hat ebenfalls am Dienstag einen Beschäftigungsbericht vorgelegt, der die Mitgliedstaaten dazu anhält, ihre Arbeitsmarktpolitik deutlich zu reformieren. Aus österreichischer Sicht brisant ist die Aufforderung der Kommission, schon bald auf das Konzept der Kurzarbeit zu verzichten. Kurzarbeitsvereinbarungen "können vorübergehend gerechtfertigt sein, um Jobs zu erhalten, solange die Arbeitslosigkeit wächst - aber die Auswahlkriterien müssen viel strenger werden verglichen mit jenen, die 2009 angewendet wurden", heißt es im Bericht der Kommission. Die staatliche Subventionierung von nicht voll genutzten Arbeitsplätzen könne Unternehmen nämlich dazu bringen, "langfristig deutlich zu viel Personal zu haben und zu riskieren, notwendige Restrukturierungen aufzuschieben", hält die EU-Behörde weiters fest.
Dieses europaspezifische arbeitsmarktpolitische Mittel ist hauptverantwortlich dafür, dass derzeit "nur" neun von hundert Europäern arbeitslos sind, in den USA aber zehn von hundert.
Verschärfte Strukturprobleme
Allerdings hat diese vergleichsweise niedrigere Arbeitslosigkeit einen hohen Preis. Das Arbeitsmarktservice rechnet für heuer damit, vom Bund rund 1,4 Mrd. Euro an Steuergeld zu brauchen und im kommenden Jahr 1,8 Mrd. Euro (das betrifft alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die über das AMS verwaltet werden).
Zudem treten nun in der Krise die strukturellen Probleme der Arbeitsmärkte vieler europäischer Länder besonders deutlich zutage. In Spanien zum Beispiel beträgt die Jugendarbeitslosigkeit bereits mehr als 40 Prozent.
In anderen Worten: Für junge Spanier ist es heutzutage fast die Norm, zumindest keine Stelle zu haben. Das ist fatal, weil junge Arbeitslose den Rückstand an Erfahrung, Kenntnissen und nicht zuletzt Lebenseinkommen später nur selten aufholen können. Und Spanien ist nicht allein: Auch in Lettland und Litauen sind mehr als 30 Prozent der unter 24-Jährigen heute arbeitslos.
Die schlechten Chancen der Jungen hängen zu einem Großteil an der Segmentierung der Arbeitsmärkte, einer weiteren chronischen Schwäche Europas.
Steuerlast so hoch wie 2000
"Die Krise zeigt, wie die Bürde der Flexibilität vor allem jungen Menschen durch den weit verbreiteten Gebrauch atypischer Verträge aufgehalst wird", heißt es im Bericht. Und das liegt daran, dass Arbeit in Europa zu hoch besteuert wird. "Die durchschnittliche Steuerlast auf Arbeitskosten liegt in der EU bei rund 40,5 Prozent, dem Niveau von 2000." Aller politischen Rhetorik von der Entlastung des "Faktors Arbeit" zum Trotz hat sich in zehn Jahren nichts verbessert.
Das Papier soll den Arbeits- und Sozialministern bei deren Treffen am 8. und 9. März vorgelegt werden. Bleibt abzuwarten, ob sie bis dahin angesichts steigender Staatsschulden eine weitere Warnung der Kommission beachten: "Kontraproduktive passive Maßnahmen (Frühpensionierungen, erleichterter Gang in Invaliditätspensionen) sollten vermieden werden."
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