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Quelle: WKO-Newsletter / Kurier vom 28.05.2014 |
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Sollen wir sie ziehen lassen? |
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Briten. Ökonomen sind uneins über die Folgen eines EU-Austritts. Österreichs Firmen bleiben gelassen
Von Anita Staudacher und Hermann Sileitsch
Seit Jahren wird der Teufel an die Wand gemalt, seit Sonntag hat er konkrete Formen angenommen: Der "Brexit" (Kombi aus "Britain" und "Exit"), also der Austritt der Briten aus der Europäischen Union (EU), ist kein Tabu mehr. Falls der Rückenwind der Austrittsbefürworter bis zur Parlamentswahl 2015 anhält, dürften die Briten spätestens 2017 über ein Yes oder No abstimmen.
Ein Brexit hätte enorme politische und wirtschaftliche Folgen für Großbritannien und die EU. Ökonomen sind sich aber uneins darüber, wie hoch die Verluste auf beiden Seiten wären - oder ob sogar der Nutzen überwiegen würde. Der KURIER fasste die zentralen Punkte zusammen:
Kosten: Ein EU-Austritt hätte für die britische Wirtschaft dramatische Folgen, warnte kürzlich die renommierte London School of Economics. Durch weniger innereuropäischen Handel, höhere Steuern und Zölle könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,1 bis 9,5 Prozent schrumpfen - das wäre schlimmer als bei der Finanzkrise. Auch ausländische Investoren könnten sich zurückziehen. Allerdings gibt es Gegenstudien, die wegen der De-Regulierung sogar ein Wirtschaftswachstum prognostizieren. Ferner wird erwartet, dass die EU ähnlich wie mit Norwegen weitreichende Wirtschaftsabkommen schließen wird.
Finanzplatz: London ist neben New York wichtigster Finanzplatz der Welt, Finanzdienstleistungen aller Art sind die zentrale Säule der britischen Wirtschaft. Laut einer Studie des Beratungshauses Oliver Wyman werden drei Viertel der Umsätze der europäischen Finanzindustrie hier erwirtschaftet. Die Geldhäuser fürchten daher die Abkopplung und warnen vor dem Exit. Goldman Sachs drohte sogar, das Geschäft zu verlagern. Aber: Ein Schrumpfen der aufgeblähten Finanzmetropole London wäre sogar gesund, meinen andere Ökonomen. Die Regierung will ohnehin weg von der Finanzlastigkeit der Wirtschaft und forciert die Re-Industrialisierung.
Binnenmarkt: Großbritannien ist nach Deutschland und Frankreich drittgrößte Wirtschaftsmacht und viertgrößter Nettozahler in der EU. Ein Austritt würde die Wirtschaftsmacht EU gegenüber den USA oder China massiv schwächen und ihr Ansehen schädigen. Die Handelsabhängigkeit der Briten von der EU ist jedoch seit Jahren rückläufig. Mit einem Waren-Exportanteil von 43,6 Prozent haben die Briten den geringsten Anteil aller EU-Staaten. Zum Vergleich: Österreichs Exporte gehen zu 70 Prozent in die EU. Bank-Austria-Ökonom Stefan Bruckbauer sieht bereits eine teilweise Auflösung des Binnenmarktes durch dezidierte Vorschriften, die nur für Euroländer gelten. Und Großbritannien ist kein Euroland.
Österreich: Die Briten sind mit einem Exportanteil von 2,9 Prozent Österreichs neuntwichtigster Handelspartner - noch vor Russland. Seit Jahren wird ein Außenhandelsüberschuss produziert - zuletzt immerhin 1,7 Mrd. Euro. "Wir sind hier sehr gut aufgestellt", sagt Georg Karabaczek, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in London. Wichtigstes Exportgut sind Maschinen und Anlagen, wichtigste Branche ist die Autoindustrie. So liefert etwa das GM-Werk in Wien-Aspern Teile für Vauxhall. Rund 200 Firmen haben Niederlassungen auf der Insel und beschäftigen 17.000 Menschen. Bezüglich eines möglichen Brexits herrsche zwar eine gewisse Verunsicherung bei den Firmen, so Karabaczek, aber ansonsten Business as usual. Mit fast britischer Gelassenheit fügt er hinzu: "Bis zum Referendum fließt ja noch viel Wasser die Themse hinunter."
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